Suche starten

Osterbotschaft 2020

Die Corona Krise ist eine denkwürdige Zeit. Sie wird je nach persönlicher Lage sehr unterschiedlich wahrgenommen. Viele werden die gewohnten Kontakte und Begegnungen vermissen, gerade jetzt über die Feiertage. Für viele wird sich die schon vorher empfundene Einsamkeit verstärken, wenn sie nun durch die Umstände nochmal mehr isoliert sind. Andere stehen vor unglaublichen Bedrohungen durch Jobverlust, Gehaltseinbußen oder auch als Selbständige vor dem abrupten Ende ihrer beruflichen Existenz. Für wieder andere hat sich vielleicht gar nicht viel verändert, weil sie schon früher meist im Home-Office gearbeitet haben. Aber dem Gefühl, dass sich der Virus bleiern über unsere Zeit legt kann sich niemand entziehen.

Schon seit Jahren nisten im Kirchturm der Johanniskirche Turmfalken. Seit einigen Wochen haben wir eine Live-Kamera installiert, sodass man die Vögel Tag und Nacht in ihrem Nest beobachten kann. Und plötzlich war es da. Ein Ei. Erst eins, dann zwei, dann drei – momentan sind es sechs Eier, die im Gelege sind und ausgebrütet werden. Das alles wird intensiv verfolgt und es gibt schon über 5000 Klicks auf die Seite. Ein Kirchenvorsteher hat schnell geschrieben: „Lebbe geht weiter.“ – Es gibt nur wenige Menschen, die man an nur drei Wörtern erkennt. Dragoslav Stepanovic, der unser Gemeindeteam in einem Spiel gegen die Eintracht Traditionsmannschaft gecoacht hat, hat den Satz geprägt. „Lebbe geht weider!“ Das war am 16. Mai 1992, als die Eintracht im letzten Saisonspiel auf dramatische Weise den Meistertitel verspielte. Das war sein Satz, um auf die wirklich wichtigen Dinge jenseits dieser tragischen Niederlage sehen zu können. Ein Satz, der für ihn Zukunft aufgeschlossen hat. 

Man kann „Lebbe geht weider“ als lapidare Allerweltwahrheit nehmen. Aber man kann auch eine tiefere Wahrheit aus ihm herausschälen. „Lebbe geht weider“ – da ist einer tot und bekommt doch neues Leben.
 

Für mich sind die Eier im Turm zu einem Hoffnungszeichen geworden. 
So ein Ei, wie die Ostereier überhaupt, sind für Ostern kein schlechtes Symbol. So ein Ei ist zunächst unscheinbar. Wir wissen nicht genau, was in ihm drin passiert. Es liegt da im Nest und wird gewärmt. Die harte Schale trennt das Innenleben von unserer Welt. Entsteht da etwas Neues, wird neues Leben aus dem Ei schlüpfen – oder ist es leer? 

Ich sehe es von außen nicht. Ich muss abwarten – um zu erkennen, ob das Ei Leben in sich birgt. Aber irgendwann bekommt die Schale einen Riss! Aus dem Ei, das bis jetzt leblos schien, starr wie ein Stein, aus diesem Ei bahnt sich ein kleines Küken seinen Weg.
Neues Leben ist da, jeder kann es erkennen – dieses Leben, das irgendwie immer ein Wunder Gottes ist.

Das Ei und das Grab Jesu – da gibt es zweifellos interessante Parallelen. Ist das Ei darum schon recht früh ein Symbol für Ostern geworden?

Ostern ist das Fest, an dem lange Verborgenes aufgedeckt wird. Und damit meine ich nicht die sorgfältig versteckten Osternester und Ostergeschenke. 

Es geht um das, was Jesus Christus, ja Gott selbst am Ostermorgen aufdeckt: Nämlich, was es auf sich hat, mit diesem Jesus von Nazareth, der so lange durch Galiläa und Judäa gezogen ist, gepredigt hat, und schließlich hingerichtet wurde. Es geht um die Frage, ob das, was er gesagt und verkündet hat, wirklich stimmt?

Da fehlte noch eine Antwort! „Bist du Gottes Sohn?” haben sie Jesus gefragt. 

Die Auferstehung Jesu bringt da Klarheit. Sie ist die Bestätigung dessen, was Jesus gesagt und getan hat. Sie ist die Unterschrift Gottes unter Jesu Worte – unter seine Verkündigung des Reiches Gottes.

So haben seine Jünger die Botschaft von der Auferstehung Jesu verstanden. Durch sie wird die Liebe Gottes und sein Sieg über den Tod ans Licht gebracht.

Zurück zur Coronakrise. Wir wissen jetzt noch nicht, wann es vorbei sein wird und wann und ob alles wieder zur Normalität zurückkehrt. Vielleicht werden wir uns rückblickend über vieles wundern, so wie wir jetzt schon über vieles staunen: Unter Covid 19 hat sich eine ungeahnte Form der Nachbarschaftshilfe entwickelt.  Mancher Verzicht bedeutet gar nicht Verlust, sondern eröffnet neue Möglichkeiten. Die Welt entdeckt sich neu. Die soziale Distanz erzeugt eine neue Nähe, neue Rücksicht aufeinander, neue Wahrnehmung voneinander. Die Digitalisierung bewährt sich als verbindende Kulturtechnik und alte Techniken finden zu neuem Recht zurück. Bücher werden gelesen, gekauft an der Buchladen-Tür und nicht beim Bestellriesen. 
Menschen entdecken wieder das Telefonieren, das Hinhören und Zeithaben.  Eine Kultur der Erreichbarkeit entsteht. Der Anrufbeantworter schweigt. Stundenlanges Spazierengehen wird neu entdeckt, selbst von jungen Menschen, und wir finden so zur Ruhe und ins Gespräch. 

Irgendwann wird es auch Medikamente gegen den Virus geben, aber wir haben erlebt, dass nicht so sehr die Technik, sondern unser verändertes Verhalten entscheidend waren, unsere Disziplin und Verantwortung mit der Distanz umzugehen.

Wir wissen nicht, wie es ausgeht für uns alle zusammen und für die vielen Einzelnen. Aber eins können wir wissen und uns sagen lassen: Es gibt eine Hoffnung, eine Hoffnung für jetzt und für die Zeit danach: Neues Leben schlüpft aus dem Ei und das Lebbe geht weider. Die Botschaft der Liebe Gottes krabbelt zusammen mit dem Auferstandenen aus dem Felsengrab. Drei Tage haben sie warten müssen – hatten keine Ahnung von dem, was da hinter dieser Steinplatte eigentlich Neues entsteht. Erst als die Platte sich einen Spalt breit auftut und Jesus das Grab verlässt, erkennen die Jünger Jesus: Ab jetzt ist alles anders!

Seit Ostern vor 2020 Jahren haben Tränen und Trauer, Krankheit und Leid, Gewalt und Unrecht, Tod und Grab nicht mehr das letzte Wort! Denn das Grab ist leer. Der Tod besiegt. Jesus lebt. Er ist wahrhaftig auferstanden. Er selbst macht uns Christen zu Hoffnungsmenschen. Amen.
 
Ihr Pfarrer
 
 


Fällt Ostern dieses Jahr etwa auch aus?
Das fragt Anna entsetzt im ersten Teil unserer Videoserie zu Ostern. Aber natürlich fällt Ostern nicht aus! Nur in diesem Jahr wird es anders als sonst.
In unserer Videoserie für Kinder von Pfarrerein Stefanie Brauer-Noss kannst Du das entdecken und mitmachen:

 

Erster Teil unserer Videoserie zu Ostern
Zweiter Teil: was geschah am Palmsonntag?
Dritter Teil: was geschah am Gründonnerstag?
Vierter Teil: was geschah an Karfreitag?
Fünfter Teil: was geschah am Ostersonntag?

F R O H E   O S T E R N !